Auf den ersten Blick gibt es keinen besonderen Grund, in einem Buch über XML eine bestimmte Programmiersprache zu erwähnen. Ein Programm, das XML verarbeitet, kann grundsätzlich in jeder beliebigen Sprache geschrieben sein. Und doch gibt es einige Dinge, die Java mit XML verbinden.
XML gives Java something to do
Java ist als plattformunabhängige Sprache konzipiert
worden, eine Eigenschaft, die auch XML
auszeichnet. Laut Jon Bosak eröffnet sich mit XML ein neues
Anwendungsgebiet für Java (XML gives Java
something to do
[bosa97a]
[bosa97a]XML, Java, and the future of the Web
, Jon Bosak, Sun Microsystems, 1997, http://sunsite.unc.edu/pub/sun-info/standards/xml/why/xmlapps.htm). Der Hintergrund
dieser Aussage ist offensichtlich: XML (oder
SGML) kann nicht nur Textdaten aufnehmen, sondern
grundsätzlich beliebige, textuell kodierbare (also theoretisch
alle) Formen von Daten speichern. Solange es sich um Dokumente
im weiteren Sinne handelt, ist beispielsweise XSLT
ein gutes Werkzeug, um die
Verarbeitung zu beschreiben. Jedoch ist eine auf die
Formatierung/Transformation von Texten spezialisierte Sprache nicht
mächtig genug für die Realisierung von allgemeinen Anwendungen,
die auch noch auf verschiedenen Systemen laufen sollen — Java
ist es.
Praktisch könnte es so aussehen, dass ein Web-Server neben
den XML-kodierten Daten auch gleich das passende Java-Programm
mitschickt. XML könnte also neben der universellen,
systemunabhängigen Sprache Java das universelle Datenformat des
Web werdenSoweit es Daten betrifft, ist XML sicher
nicht die schlechteste Lösung. Etwas seltsame Formen nimmt die
Begeisterung für diese Auszeichnungssprache aber doch an. Es
scheint so, als würde bald alles in XML kodiert, nur
um es in XML zu kodieren. Eine Umsetzung der
Programmiersprache Logo in XML-Syntax gab es
schon 1998 — aber wer braucht das?. Mittlerweile ist
es schon nicht mehr gewagt, zu behaupten, dass dies nicht nur
passieren könnte, sondern dass es passieren
wird. Spätestens wenn
man sich die Alternativen anschaut (sofern man welche findet),
ist klar, die Entscheidung ist gefallen: XML ist
längst das universelle Datenformat des Web!
Zurück zu Java: Es gibt Anzeichen dafür, dass die Strategie von Sun aufgeht, Java als
die Sprache für XML zu propagieren und damit
den Stand von Java weiter zu stärken. Die bisherigen Entwicklungen
für XML sind — wenn man die
XML-Developer-Mailingliste als Maßstab anlegt —
vorwiegend in Java geschrieben. Und auch auf Robin Covers
Web-Seite (XML Cover Pages), dem umfangreichsten Archiv von
SGML/XML-Informationen, stehen die in Java
geschriebenen XML-Anwendungen an erster
StelleAllerdings sind auch viele andere Sprachen
vertreten. Zur besonderen Freude der Autoren
verzeichnen die Cover-Pages am 28. Februar
2000 den Eintrag:
xmltex: A non validating (and not 100%
conforming) namespace aware XML parser implemented in
TeX.
Besonderer Dank dafür an David Carlisle..
Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass XML und Java — in Kombination miteinander — zu den sprichwörtlichen Schlüsseltechnologien der nächsten Jahre werden. Wer weiß, vielleicht verhandelt Ihre nächste Kaffeemaschine (mit PicoJava-Kernel) demnächst mit Ihrem persönlichen intelligenten Agenten über Ihr bevorzugtes Kaffee-Aroma — und natürlich sprechen beide dann in XML miteinander. Dass die RDF-Spezifikation Cycl und das Knowledge Interchange Format (KIF) als Referenz nennt, mag ein Indiz dafür sein, dass unsere Prophezeiung nicht ganz abwegig ist. Im Vergleich zu Vannevar Bushs Visionen von 1945 steht diese Entwicklung geradezu vor der Tür.