Schön, dass es HTML gibt — nur
sieht selbst diese Sprache für Anfänger gelegentlich
ähnlich rätselhaft aus wie das anfängliche Motto; vor allem
dann, wenn der Web-Meister sich mit Tabellen, unsichtbaren
GIFs und herstellereigenen Zusätzen ausgetobt
hat. Allerdings: Ganz so kompliziert, wie das Motto beim
ersten Lesen vielleicht gewirkt hat, ist diese einfache
Auszeichnungssprache namens Hypertext Markup Language nicht
— nicht einmal dann, wenn man die oben erwähnten
Cascading Style Sheets als Sprachergänzung zur Formatierung
von Dokumenten hinzunimmt. Denn es handelt sich insgesamt um
circa 70 Elementtypen — oft ungenau
Tags genanntElementtypen sind die
aus HTML bekannten P und H3. Sie haben, wenn man HTML
richtig
schreibt, jeweils ein Start-
(<p>) und ein End-Tag
(</p>). In der
SGML-DTD für HTML ist
für eine Reihe von Elementen vorgesehen, dass man ihr End-Tag
oder gar beide einfach weglassen kann
(Tag-Minimization). Damit ist es in XML vorbei:
OMITTAG=NO —, die eine
Basisstruktur von Texten (Überschriften, Absatz, Zitate,
Listen, Tabellen) abbilden. Darüber hinaus enthält
HTML Anweisungen für Stilarten (Betonung) —
bis hin zu solchen, die festlegen sollen, ob ein Wort (oder
mehrere) kursiv oder fett gedruckt zu sein habe. Vom Blinken,
das Netscape leider eingeführt hat, soll hier nicht die Rede
sein.
Eigentlich waren schon diese auf das Display bezogenen Elemente (I und B) eine Abweichung von der reinen Lehre des strukturierten Markup. Aber sie waren nichts gegen das, was danach kam. Was wiederum damit zu tun hatte, dass nach dem ersten Internet-Boom (1994) die Anwender — diejenigen, die WWW-Dokumente erstellen wollten — mehr an Gestaltungsmöglichkeiten suchten; und sie bekamen sie: Tabellen, blinkende Strings ...
Was bleibt, ist die Tatsache, dass HTML in den letzten Jahren eine stürmische Entwicklung genommen hat — getragen von Erweiterungen, wie sie im Wesentlichen Netscape (durch Frames, die HTML ergänzende Scriptsprache JavaScript sowie Layers) und Microsoft (VB-Integration und Dynamic HTML) eingeführt haben. Datenbankanbindungen über Perl sowie kommerzielle (Zusatz-)Produkte von DBMS-Anbietern runden das Wirrwar ab. Soweit es denn als Wirrwar empfunden wird. Nicht zu vergessen die oben angedeutete Erweiterung der HTML-Elemente durch Software, die die Web-Dokumente durchgeht (parsing) und nach einer bestimmten Markierung sucht (und daraufhin Aktionen durchführt).
Mehr ist in diesem Zusammenhang tatsächlich weniger, weil die fortlaufende Ergänzung einer Sprache durch von Industrie und Autoren gewünschte oder von Herstellern erahnte Tools und Elemente schnell ins Web-Chaos führen könnte. Der Versuch, die eigenen Datenbankinhalte ins Web zu bringen, ist schon heute davon abhängig, mit welchem DBMS man arbeitet, denn dessen (proprietäre) Web-Lösung wird man nutzen müssen, wenn man sich nicht auf die Möglichkeiten von Perl oder anderen Programmiersprachen beschränkt beziehungsweise konzentriert.
All dies heißt, dass die Gefahr bestand (und
ansatzweise immer noch besteht), dass das World Wide
Web auseinanderdriftet. Dem woll(t)en viele
entgegenwirken. In den Worten von Jim Cape, aus einem Posting
in der Newsgruppe comp.infosystems.www.authoring.html
(übersetzt nach dem Zitat in
[conn97a]
[conn97a]Dan Connolly, Rohit Khare, Adam Rifkin, The Evolution of Web Documents
, in
[conn97]
[conn97]XML: Principles, Tools and Techniques
, Dan Connolly, Sebastopol/CA, 1997, O'Reilly): Sie
[XML, d. A.] wurde entwickelt, um ein für alle
Mal die von Microsoft und Netscape propagierten
Tag-Suppenkriege zu beenden.
Der Erfolg des Web und seiner Sprache wurde von
denjenigen, die ihn erst möglich gemacht hatten, sowohl mit
Interesse als auch mit Neid verfolgt. Gemeint ist hier
natürlich die SGML-Gemeinde. Natürlich
deshalb, weil HTML eine Anwendung der
Standard Generalized Markup Language ist:
eine Dokumenttyp-DefinitionAuch heute noch, da die
Definition von HTML in XML unter dem
Namen XHTML fertig ist, basiert das Web nach wie
vor auf der SGML-Version von
HTML, weil sie in den Browsern implementiert
ist.. In ihr hat ursprünglich
Tim Berners-Lee
vom CERN, dem spätestens seitdem weltberühmten
Hochenergie-Physik-Institut in der Schweiz, festgeschrieben,
welche Elemente die Hypertext Markup
Language ausmachen, das heißt, mit welchen ich meine
Texte auszeichnen kann.