Ein Makel, den kaum ein Buch abstreifen kann, das
sich mit Informatik oder Computern beschäftigt, ist die
Tatsache, dass man so viele interessante Dinge
nicht behandeln kann.
In diesem Abschnitt wird dies überdeutlich. Die Überschrift
Eine kurze Geschichte der Textverarbeitung
erweckt
vielleicht die Hoffnung, die Arbeitsweise der großen
Autoren der Weltgeschichte vorzustellen — doch weit
gefehlt. Leider überspringen wir Homer, lassen Kant aus
und ignorieren
Proust. Unser Einstieg in die kurze Geschichte der
Textverarbeitung
beginnt erst kurz bevor die Computer
dabei eine Rolle spielten.
Für einen Informatiker ist diese Zeit freilich so
etwas wie die graue Vorzeit
, kurz nach dem Urknall
sozusagen, als Texte noch auf mechanischen Schreibmaschinen
verfasst wurden. Das Klischee des Literaten, der
zurückgezogen, bei spärlicher Beleuchtung und mit
einer Zigarette im Mundwinkel seine Zeilen schreibt, mag
stimmen oder nicht, sicher ist jedoch, dass seine Mittel
zur Formatierung und typografischen Ausschmückung sehr
einfach waren. Viel mehr als gesperrter TextFür
den, der sich schon nicht mehr daran erinnern kann, sei
erwähnt, dass sich gesperrter Text durch L e e r
z e i c h e n zwischen den Buchstaben
auszeichnet. oder bestenfalls Unterstreichungen
war nicht möglich.
Mit der zunehmenden Verbreitung von preiswerten
Büro-Computern änderte sich zunächst nicht
viel. Ursache waren insbesondere die eingeschränkten
Druckmöglichkeiten. Die Typenraddrucker basierten im
Wesentlichen auf der Schreibmaschinentechnik. Erst der Einsatz
von Nadel- und Laserdruckern erlaubte vielfältige
Schriftvariationen. Der Verfasser musste dazu
anfänglich so genannte Steuerzeichen
in den Text
einfügen. Am Bildschirm wurden die Schriftänderungen
nicht oder nur in einem Vorschaumodus dargestellt. Erst der
Ausdruck zeigte den Text in seiner ganzen Pracht.
What you see is what you getund Desktop-Publishing. Dadurch wurde die Textverarbeitung nachhaltig geprägt.
Die Einführung der grafischen Oberfläche — allen voran der Apple Macintosh im Jahre 1984 — erlaubte erstmals eine weitgehend identische Darstellung von Text auf Papier und auf dem Bildschirm. Das Konzept des What you see is what you get (WYSIWYG) war geboren. Wie so viele Entwicklungen hatte auch dieser Schritt seine guten und schlechten Seiten. Positiv ist sicherlich die Möglichkeit zum Desktop-Publishing (DTP), der Erstellung von (semi-)professionellen Druckerzeugnissen am Schreibtisch. Die Professionalität besteht insbesondere in der technischen Qualität. Viele Verfasser überschätzen jedoch ihre Fähigkeit, mit den neuen Werkzeugen adäquat umzugehen. Jeder, der schon einmal einen Brief mit zehn verschiedenen Schriftarten bekommen hat, weiß, wovon hier die Rede ist.
Neben diesen stilistischen Ausrutschern
hat der
Trend zum WYSIWYG und DTP aber eine
viel bedeutendere Konsequenz gehabt: Die Arbeitsweise bei der
Texterstellung orientierte sich fortan fast
ausschließlich am Layout, an der
Formatierung und an der
Darstellung des Textes. Für eine
DTP-Anwendung mag das auch die richtige
Vorgehensweise sein. Sobald jedoch das Ausgabemedium nicht mehr
nur Papier ist, wird die Angelegenheit komplizierter. Die
folgenden Abschnitte stellen einen anderen Ansatz vor, dessen
Wurzeln schon relativ weit zurückreichen.